Die raue Weite reicht über meinen Blick hinaus. Ich kann das Ende dieser kalten Welt nicht erkennen, in der ich mich unaufhörlich drehe, verzweifelt bemüht, irgendwo einen Tupfen Farbe zu finden. Alles verschwimmt in grau und weiß. Ich verliere mich in der Nacht, die selbst das letzte fahle Licht aus meinem Blickfeld saugt. Alles wirkt endlos. Kein Echo hallt zurück, und dennoch atme ich. Nicht laut, nicht mehr laut, aber tief. Der Boden unter mir ist gefroren, gekrümmt, zerdrückt von Eis und der Unendlichkeit der Zeit, von allem, was je zu viel war. Das Eis unter meinen Füßen gleicht einem uralten Versprechen, langsam, gewaltig und unerbittlich. Es zieht meine Gedanken in sich hinein, tiefer und tiefer, als wolle es mich ganz verschlucken. Mein Kopf ist durchzogen von feinen Eiskristallen, in denen sich das letzte Sonnenlicht goldbunt bricht. Die Nacht hat mich verschlungen, und als würde ich träumen, starre ich in das Nichts vor mir. Ich sehe nicht einmal mehr meine eigenen Hände. Ich fühle sie nicht. Ich bin falsch hier. Nichts von mir gehört an diesen Ort. Nichts von mir will an diesem Ort bleiben. Die Welt um mich herum ist farblos, grau und leer, die Grenzen zwischen Himmel und Erde zerfließen, und ich mit ihnen. Würde ich doch nur einen einzigen Klecks Farbe finden in dieser Einöde aus schneidendem Wind, der alles verschlingt. Mit allem, was ich bin, versuche ich zu leuchten, nur einen winzigen Punkt Wärme in diese Welt zu tragen. Doch zu oft wurde ich zertrampelt, als wäre ich ein wertloser Grashalm unter Milliarden anderen. Ich spüre mich kaum noch, abgeknickt, niedergetreten und unbeachtet. Jede Bewegung, die von mir bleibt, ist nur noch ein Spiel des eiskalten Windes. Ich bewege mich nicht. Ich treibe dahin, wartend auf den nächsten kalten Morgen. Dann endlich legt sich ein goldgelber Sonnenstrahl auf mein Gesicht. Gedanken tauen auf, zittern in der plötzlichen Wärme, nur um an ihrer eigenen Schwere zu zerbrechen, wie ein Gletscher, der in sich selbst stürzt. Mein Blick fällt auf das weite Meer unter dem Horizont. Millionen Eisschollen treiben ziellos umher, wie meine Gedanken, zersplittert und verloren. Ich friere, doch ich kann nicht einmal mehr zittern. Die raue Welt und jedes achtlose Wort, das mich trifft, schnüren mir die Luft zum Atmen ab, lassen meinen Lebenssinn weiter gefrieren. Wie sollte ich an einem Ort wie diesem noch leuchten können. Es ist, als wäre ich falsch, ich als Mensch, oder ich, der Mensch an diesem Ort. Doch dann erblicken meine müden Augen unter all dem grau in weißem Eis einen Funken Rosa. Er leuchtet wie die schönste Farbe dieser Welt. Unerschütterlich strahlt er, für niemanden, für nichts. Kein Blick sucht ihn, kein Herz bewundert ihn, und doch weicht sein Licht nicht zurück. Er blüht inmitten der Kälte, als wüsste er nichts von Hoffnung und nichts von Verzweiflung. Er blüht einfach. Nicht um gesehen zu werden. Nicht um geliebt zu werden. Sondern weil es seine Natur ist, selbst gegen die Stille zu bestehen. Und vielleicht, denke ich, bin ich wie dieser zarte Farbklecls. Ich bin noch hier. Ich leuchte noch, auch wenn niemand hinsieht – niemand hinsehen will. Auch wenn die Welt mich niedertrampelte, auch wenn jedes Wort, das mich traf, sich wie Eis um mein Herz legte, habe ich mein Rosa bewahrt. Ich habe weitergeleuchtet, nicht weil jemand mich darum bat, nicht weil es jemanden gab, der es verdiente, sondern weil ich nicht anders kann. Weil es in mir brennt, zart und trotzig zugleich. Wenn ich eine Blume wäre, dann wäre ich eine Polsternelke. Nicht trotz der Kälte, sondern mit ihr. Eine, die leuchtet, auch wenn niemand mehr hinsieht.